
Im Jahr 2038 soll in Deutschland Schluss sein mit der Gewinnung von Energie aus Kohle. Das sieht der Kohlekompromiss vor. Auch in Hannover wird immer noch Wärme und Strom aus Kohle produziert – im Steinkohlekraftwerk Stöcken. Das wollen die Stadtwerke jedoch bereits 2030 komplett abschalten. Aber nun hat sich in Hannover aus der Klimaschutzbewegung die Initiative hannover erneuerbar formiert, die sagt – 2030 ist zu spät. Die Organisator:innen, zu denen auch die Parents for Future gehören, sind für ein Abschalten des gesamten Steinkohlekraftwerks bereits 2026. Und sie haben dazu ein Bürger:innenbegehren gestartet und wollen bis Ende Mai mehr als 20.000 Unterschriften sammeln. Aber, warum reicht den Menschen von hannover erneuerbar das Jahr 2030 denn nicht? Was haben sie für Vorschläge? Was bedeutet eigentlich dieses Bürger:innenbegehren? Und was meinen Stadtwerke und Politik zum früheren Ausstieg?
Kohlekraftwerk Stöcken – anderthalbmal mal so viel CO2 wie Hannovers Verkehr
Das Steinkohlekraftwerk in Stöcken ist der größte CO2-Emittent in Hannover. Jedes Jahr pustet es rund 1,2 Millionen Tonnen CO2 in die Luft – und damit laut der Energie- und CO2-Bilanz der Stadt und Region Hannover mehr als eineinhalbmal so viel wie der Verkehr in der Stadt Hannover. Und das, obwohl nur ein kleiner Teil der Hannoveraner:innen mit der Fernwärme aus Stöcken versorgt wird. Stöcken ist ein Gemeinschaftskraftwerk der Stadtwerke enercity und Volkswagen. Es versorgt Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt Hannover mit Fernwärme und den Autozulieferer Continental und Volkswagen Nutzfahrzeuge mit Strom und Wärme.
Abschalten 2030 ist zu spät für Pariser Klimaschutzziel und verursacht Schäden in Millionenhöhe
Warum reicht den Menschen von Hannover erneuerbar das Jahr 2030 denn nicht? enercity will ja bereits bis 2030 das Kohlekraftwerk Stöcken vom Netz nehmen. Das klingt ja erst mal gut – schließlich wäre das ja bereits 8 Jahre vor dem bundesweiten Kohleausstieg 2038. Das Problem ist bloß – das reicht noch nicht aus, um unsere Klimaschutzziele einzuhalten, erläutern die Organisator:innen des Bürger:innenbegehrens von hannover erneuerbar.
Ich kenne zwei der Initiator:innen des Begehrens von den Parents for Future Hannover: Johanna Gefäller und Stephan Barlag. Die beiden haben mit viel Arbeit und Zeit und der Unterstützung vieler anderer Klima- und Umweltschutzorganisationen, wie Fridays For Future, Psychologists for Future, Greenpeace, Extinction Rebellion, Limmer Nachbarschaft oder dem Umweltzentrum Hannover, das Bürger:innenbegehren für einen schnelleren Ausstieg aus der Kohleenergie vorbereitet. Die gesamte Liste der Unterstützer:innen findest du hier.
Johanna und Stephan sagen, dass wir in den nächsten 5 Jahren massiv unsere CO2 Emissionen reduzieren müssen, um überhaupt noch eine Chance zu haben, unseren Beitrag zum Pariser Klimaschutzabkommen zu leisten, die Erderhitzung auf 1, 5 Grad einzudämmen – und damit die bereits auch bei uns in der Region spürbaren Klimafolgen begrenzen zu können. Und sie argumentieren, dass enercity die Investitionen für den Ausstieg aus Kohle und Gas ja sowieso tätigen muss und lediglich der Zeitpunkt der Ausgaben zu einem früheren Datum stattfinden soll.
Stephan verweist außerdem darauf, dass die gesellschaftlichen Folgekosten bislang nicht mit eingerechnet wurden. So hat das Umweltbundesamt neu ausgerechnet, dass 1 Tonne CO2 195 Euro Schaden verursacht. Demnach würden, blieb Stöcken wie bislang geplant bis 2030 am Netz, die ökologischen Folgekosten, wie erhöhte Gesundheitsschäden, Schäden an der Infrastruktur oder Waldschäden, 500 Millionen Euro betragen.
Hannovers Klimaziel 2035 – das Abschalten bis 2026 ist eine große Stellschraube
Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie zeigt in seiner Studie Zero 2035, dass wir, um das 1,5-Grad-Ziel von Paris überhaupt noch mit einer Fifty-Fifty-Chance (!) einhalten zu können, bis spätestens 2035 in Deutschland CO2-neutral sein müssen. Dafür müssen wir in den nächsten 5 Jahren 60 % unseres CO2-Ausstoßes senken.
Auch der Stadtrat von Hannover hat im Juni 2020 anerkannt, dass zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels die Stadt ihre Anstrengungen im Klimaschutz und in der Energiewende noch erheblich verstärken muss. Dafür sollen auch die bereits im „Masterplan Stadt und Region Hannover / 100 % für den Klimaschutz“ beschlossenen Klimaschutzziele möglichst bereits bis 2035 erreicht werden.
Um das Pariser Klimaschutzziel noch einhalten zu können, brauchen wir in Hannover also einen schnellen Umbau zu einer vollständigen Versorgung Hannovers aus Erneuerbaren Energien. Aber, neben dem Festlegen des Klimaschutzziels auf 2035, braucht es dazu auch die nötige politische Weichenstellung, dieses Ziel überhaupt erreichen zu können. Mit dem Abschalten des größten CO2-Emittenten Hannovers bis 2026 hat die Stadt nun einen großen Hebel auf dem Weg nur Klimaneutralität. Deshalb sammelt hannover erneuerbar für das Bürger:innenbegehren 20.000 Unterschriften, damit wir in Hannover diese zukunftsfähige Entscheidung treffen können.
hannover erneuerbar hat das Bürger:innnbegehren gestartet – für den Ausstieg aus der Kohle 2026 und baldmöglichen Ausstieg aus allen Fossilen Energieträgern. sharepic hannover erneuerbar
Und was meinen die Stadtwerke dazu?
Susanna Zapreva, die Chefin von enercity, und auch enercity-Vorstand Marc Hansmann sagen, dass sie den Wunsch verstehen können, Stöcken schneller abzuschalten. Zurzeit arbeitet enercity ja selbst an einer Strategie, wie sie das Kohlekraftwerk durch nachhaltige Energiequellen ersetzen zu können. Und sie wollen dabei eben nicht, wie andere Energieversorger, von der fossilen Kohle auf einen anderen fossilen Energieträger Erdgas umstellen. Das ist ja schon mal gut, denn auch wenn es gerade immer wieder und überall erzählt wird, hat Erdgas eben nicht unbedingt eine bessere Klimabilanz als Kohle.
Deshalb braucht aber enercity für den Ersatz des Kohlekraftwerkes einen Mix aus verschiedenen nachhaltigen Quellen und dazu müssen, laut Angaben von Frau Zapreva und Herrn Hansmann, 10-14 kleinere Anlagen aus regenerativen Quellen an verschieden Orten gebaut werden. Dazu gehört eine Müll-Verbrennungsanlage, eine Klärschlamm-Verbrennungsanlage und ein Biomasseheizwerk. Weitere Wärme plant Frau Zapreva aus industrieller Abwärme und Umweltwärme zu gewinnen. 500 Millionen Euro will enercity für den Ausstieg aus der Kohle bis zum Jahr 2030 bereitstellen. Bis 2025 soll dann der erste Block des Kohlekraftwerks in Stöcken abgeschaltet werden, 2030 dann der zweite. Frau Zapreva befürchtet, dass es wirtschaftlich nicht machbar ist, die Investitionen bereits insgesamt bis 2026 vorzuziehen. Auch geht Frau Zapreva davon aus, dass der Bau der 14 Anlagen nicht in den nächsten 6 Jahren zu realisieren ist, da die Genehmigungen sich meistens sehr lange hinziehen würden.
Klimaneutral 2035 – wollen wir es wirklich schaffen oder lassen wir es lieber sein?
Was sagen die Parteien der Stadt und der grüne Oberbürgermeister Belit Onay dazu? Im Stadtrat Hannover hat – bis zur Kommunalwahl im September 2021 – eine Koalition aus SPD, Grüne und FDP die Mehrheit. Und seit 2019 haben wir in Hannover einen grünen Oberbürgermeister – Belit Onay. Was meinen denn die regierenden Fraktionen und die Stadtspitze zu einem Abschalten des Steinkohlekraftwerks Stöcken im Jahr 2026? Denn – wären die drei Regierungsfraktionen sich einig, könnten sie ja schon jetzt ein früheres Abschalten des Steinkohlekraftwerkes beschließen und es bräuchte kein Bürger:innenbegehren mehr. 😉
Tatsächlich wird da wohl gerade in und zwischen den Fraktionen diskutiert und verhandelt. Laut der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung stellt sich die SPD hinter das Bürger:innenbegehren. In einem ersten Entwurf zu einem Antrag, der im Rat das Ausstiegsdatum zum Kraftwerk Stöcken festlegen könnte, spricht die SPD jedoch etwas unkonkreter von einem Ausstiegsdatum „möglichst 2026“ und dass die Verwaltung der Stadt mit enercity über ein Austrittsdatum verhandeln soll. Die mitregierenden Grünen geben hingegen in einer Pressemitteilung bekannt, dass sie „dieses Bürgerbegehren für konsequenten Klimaschutz aktiv unterstützen werden.“ Den SPD-Antrag zum Begehren, wollen die Grünen, laut Umweltpolitiker Mark Bindert noch konkretisieren. Auch die FDP zeigt laut HAZ-Bericht grundsätzlich Zustimmung zum SPD-Antrag, sieht aber vor allem wohl noch Aufklärungsbedarf darin, wieviel es kosten würde, das Ausstiegsdatum aus der fossilen Energiegewinnung weiter nach vorne zu verlegen.
Auch Oberbürgermeister Belit Onay, Grüne, begrüßt die Debatte um den schnellen Ausstieg aus den fossilen Energien, die durch das Bürger:innenbegehren ausgelöste wird. Die Stadtwerke sind ein Tochterunternehmen der Stadt Hannover und geben zurzeit, nach Angaben im HAZ-Forum, etwa 40 Millionen Euro pro Jahr in die Stadtkasse. Würde das Vorziehen des Ausstiegs Stöcken tatsächlich teurer werden als die bislang für das Umstellen eingeplanten 500 Millionen Euro, würde wohl auch die Stadt Hannover weniger Gewinn erhalten. „Stadtverwaltung und enercity sind sich darin einig, dass der Kohleausstieg so schnell wie möglich gelingen muss“, äußert sich dann auch Belit Onay dementsprechend vorsichtig in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung und verweist darauf, dass sie sich jetzt eine Vorstellung davon machen müssten, welche finanziellen Konsequenzen das Vorziehen des Datums hätte.
Fazit frau k .
Mit dem Abschalten des Kohlekraftwerks Stöcken bereits 2026 hat die Stadt Hannover einen riesigen Hebel, um ihre Klimaneutralität 2035 zu erreichen – und das müssen wir schaffen, um das Pariser Klimaschutzziel noch einhalten zu können.
Durch das Bürger:innenbegehren beginnt gerade die notwendige öffentliche Diskussion darum, wie wir einen schnelleren Ausstieg aus den fossilen Energieträgern Kohle und Gas hinbekommen. Dass dafür jetzt die Wärmeplanung in der Stadt beschleunigt werden muss, haben jetzt auch die Politik und die Verwaltung verstanden.
Deshalb, wenn du in Hannover wohnst – unterschreibe das Bürger:innenbegehren „Keine Kohle, kein Erdgas in unseren Kraftwerken.“ Vielleicht hast du ja auch Lust, selbst Unterschriften zu sammeln – Infos dazu findest du bei hannover erneuerbar. Rede mit anderen Menschen darüber, wie wichtig es ist, jetzt die Wärmewende in Hannover zu beschleunigen, um unsere Klimaziele einzuhalten.
Vielleicht bist du nicht aus Hannover und hast aber Mut bekommen, jetzt auch den Kohleausstieg in deiner Stadt voranzubringen. Dann wende dich an die Organisator:innen von hannover erneuerbar oder direkt an Klimawende von unten – sie können dich da beraten.
Schreib mir bitte gerne in die Kommentare, was du von dem Bürger:innenbegehren für einen schnelleren Ausstieg aus Kohle und Gas hältst. Auch gerne deine Meinung, wo du Probleme siehst und was gemacht werden muss um sie zu lösen.
Beste Grüße
frau k.
FAKTEN CHECK Das Klimaziel von Hannover und das Abschaltdatum des Kohlekraftwerks in Stöcken